Mythos Cholesterin
Teil 5: Cholesterinsenker
Für jedes Problem gibt es eine saubere, plausible und falsche Lösung.
H L Mencken
Obwohl nun klar war, dass eine Ernährungsumstellung keinen Einfluss auf die koronare Herzkrankheit hatte, arbeiten die Wissenschaftler weiterhin an der Prävention der koronaren Herzkrankheit. Wenn es über Ernährung nicht funktionierte, dann musste man es mit Medikamenten versuchen. Und da Medikamente besser zu kontrollieren waren und zusammen mit Placebos eingesetzt werden konnten, mussten die Ergebnisse jaaussagekräftiger sein. Leider erwiesen sich alle Medikamente zur Senkung des Blutcholesterins als ziemliche Katastrophe.
Das 1961 freigegebene Triparanol hemmt die Cholesterinproduktionsfähigkeit der Leber und senkt damit den Cholesterinspiegel. Zwei Jahre später wurde das Medikament aufgrund von schweren Nebenwirkungen vom Markt genommen. Die Hersteller von Triparanol entkamen einem öffentlichen Skandal nur, weil die Aufmerksamkeit der Medien auf ein anderes Medikament des gleichen Unternehmens gerichtet war – es handelte sich um Thalidomid.
In jüngster Zeit wurden mehrere Medikamente in teuren und umfangreichen Studien getestet. Zunächst zu Cholestyramin (Questran) das den Cholesterinspiegel durch Beeinflussung der Verdauung senkt. Die Gallenblase stellt aus Cholesterin Gallenflüssigkeit her, die im Darm zur Fettverdauung dient. Ist das Medikament im Darm präsent, so bindet es sich an die Gallenflüssigkeit und unterbindet deren normale Funktion. Da das Medikament unverdaulich ist wird es zusammen mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden, so dass die Gallenblase Cholesterin aus dem Blutkreislauf entziehen muss um weitere Gallenflüssigkeit bereitzustellen.
Da eine Studie sehr teuer ist, untersuchten die Wissenschaftler innerhalb von drei Jahren 480.000 Männer, um geeignete Probanden zu finden. Es mussten Männer einer Altersgruppe sein, in der die koronare Herzkrankheit auftritt und sie mussten extrem hohe Cholesterinspiegel haben. Da solche Männer sehr krankheitsanfällig sind, waren die Erfolgsaussichten erheblich erhöht.
Das Forscherteam verkündete schon vor Beginn der Studie zuversichtlich, dass die Blutcholesterinwerte um 28% sinken würden und nach sieben Jahren die koronare Herzkrankheit in der Therapiegruppe um 50% vermindert sein würde.
Am Ende der Studie waren die Cholesterinspiegel allerdings um weniger als ein Viertel des erwarteten Wertes gesunken und das Auftreten der koronaren Herzkrankheit war kaum verändert – aber man hatte 142 Millionen Pfund (ca. 200 Millionen Euro) in den Sand gesetzt. Selbst wenn die Studie erfolgreich gewesen wäre – die Zusammensetzung der Probanden war so wenig repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, dass die Frage nach der Wirksamkeit für durchschnittliche Erwachsene nicht beantwortet worden wäre. Eine weiteres Problem bestand im gestiegenen Auftreten von gastrointestinalem Krebs, ein Phänomen, das nicht als Zufall abgetan werden konnte. In dieser Lipid Research Studie traten in der Therapiegruppe 21 Fälle von gastrointestinalem Karzinom auf, davon 8 mit tödlichem Ausgang, in der Kontrollgruppe waren es 11 Fälle, darunter lediglich ein Todesfall.
Andere Organisationen prüften weitere Medikamente. Die Weltgesundheitsorganisation finanzierte eine eigene Studie zu Clofibrate (Atromid). Auch dieses Medikament war ein Cholesterinsenker, von man sich eine Cholesterinsenkung von bis zu 30% erwartete.
Wie bei Cholestyramin wurden diese ambitionierten Ziele nicht erreicht und gegen Ende der Studie stellte sich heraus, dass in der Therapiegruppe sehr viel mehr Todesfälle aufgetreten waren als in der Kontrollgruppe – Todesursachen waren Gallensteine, Leberkrebs und Karzinome des Verdauungssystems. Tabelle IV zeigt, dass in der Clofibrat-Studie der WHO das Medikament mehr Leben zerstörte als rettete.
Clofibrate | Placebo | ||
Todesursache | 5,331 Männer | 5,296 Männer | |
KHK | 157 | 138 | |
Schlaganfall | 30 | 19 | |
Andere kardiovaskuläre Krankheiten |
21 | 16 | |
Karzinome | 125 | 99 | |
Andere medizinische Ursachen |
30 | 13 | |
Unfälle | 31 | 30 | |
Unbekannt | 2 | 2 | |
Alle Ursachen(Gesamt) | 396 | 317 |
Weitere untersuchte Medikamente:
a. Das weibliche Hormon Östrogen und zwar ausgehend von der Annahme, dass prämenopausale Frauen nicht an Herzkrankheiten litten und dieser Schutz möglicherweise dem Östrogen zuzuschreiben sei. Das Hormon verhinderte allerdings die Herzinfarkte nicht nur nicht sondern verursachte sie.
b. Das Hormon Dextrothyroxin das den Cholesterinspiegel zwar senkt, jedoch schnell wieder aufgegeben wurde als in der Therapiegruppe eine erhöhte Sterblichkeit beobachtet wurde.
c. Das Vitamin Niacin sah zunächst viel versprechend aus. Zunächst schien die Anzahl der Herzinfarkte ohne tödlichen Ausgang zu sinken, dann traten erhebliche Nebenwirkungen auf: Hautprobleme wie z.B. dunkle Verfärbungen, Jucken, Ausschlag sowie Verdauungsprobleme und Gicht.
d. Gemfibrozil (Lopid) wurde untersucht und auch hier war die Sterberate in der Therapiegruppe erhöht obwohl die Zahlen dieses Mal nicht statistisch signifikant waren.
e. Compactin wirkt ähnlich wie Triparanol und wurde schnell und so unauffällig wie möglich zurückgezogen – der Grund scheint mit dem Auftreten von Krebs bei Hunden zusammenzuhängen.
f. Und schließlich wurde trotz der vorherigen Erfahrungen mit Triparanol und Compactin und trotz sehr kurzer Prüfdauer Lovastatin, ebenfalls ein Cholesterinhemmer zur lebenslangen Anwendung zugelassen. (Die Abkömmlinge Pravastatin und Simvastatin werden unter den Markennamen Lipostat und Zocor verkauft).
Eine Studie aller Studien zu Cholesterinsenkern bis 1987 zeigt einen 13,6-prozentigen Anstieg der Sterblichkeit bei den mit den mit diesen Medikamenten behandelten Patienten.
1993 zeigte eine Metaanalyse aller randomisierten kontrollierten Studien mit cholesterinsenkenden Therapien, dass nur Probanden mit sehr hohem Risiko überhaupt profitierten. Bei allen anderen stieg die Sterblichkeit an. Die Autoren kommen zu folgendem Schluss:
"Bis dato evaluierte Cholesterinsenker scheinen nur bei einer kleinen Patientengruppe mit sehr hohem Sterberisiko an koronarer Herzkrankheit von Vorteil zu sein…bei der Verwendung von cholesterinsenkenden Medikamenten wird deshalb zu vorsichtigem Vorgehen geraten ".
Dennoch wurden 6 Jahre später achtmal so viele Cholesterinsenker verordnet!
Angesichts der aggressiven Vermarktung der neuen „Statine“ sind die Verschreibungskosten sprunghaft gestiegen und belasten die Krankenversicherungen ganz erheblich.
Mehr zu Statinen auf dieser Website.
Literatur:
S Yusuf, C D Furberg.
Single factor trials: control through lifestyle changes.
In A
G Olsson, ed.
Atherosclerosis
. Edinburgh: Churchill-Livingstone, 1987: 389.
Lipid Research Clinics Coronary Primary Prevention Trial: I. Reduction in
incidence of coronary
heart disease. II. The relationship of reduction in incidence of coronary heart
disease to
cholesterol lowering.
J A M A.
1984; 251: 351.
Committee of Principle Investigators: World Health Organization co-operative
trial on primary
prevention of ischaemic heart disease using clofibrate to lower serum
cholesterol: the final
mortality follow up.
Lancet. 1984; ii: 379.
M H Frick,
et al.
Helsinki Heart Study: primary prevention trial with gemfibrozil in middle aged
men with dyslipidemia.
New Eng J Med.
1987; 317: 1237.
Coronary Drug Project Research Group: Gall bladder disease as a side effect of
drugs influencing
lipid metabolism.
New Eng J Med.
1977; 296: 1185.
M N G Dukes.
Drugs affecting lipid metabolism.
in:
Meyler's Side Effects of Drugs
, Ninth Edition.
M N G Dukes ed. Excerpta Medica, Amsterdam, 1980.
S Yusuf, J Cutler.
Single factor trials: drug studies.
in A G Olsson, ed.
Atherosclerosis.
Edinburgh:
Churchill-Livingstone, 1987: 389.
G Davey Smith, F Song, TA Sheldon. Cholesterol lowering and mortality: the
importance of
considering initial level of risk.
BMJ
1993; 306: 1367.
Teil 1: Einleitung
Teil 2: Nahrungsfette und Herzkrankheit
Teil 3: Ballaststoffe marsch!
Teil 4: Gefahr durch niedrigen Blutcholesterinspiegel
Teil 5: Cholesterinsenker
Teil 6: Vorteile?
Teil 7: Und was ist nun mit der Herzkrankheit?
Teil 8: Eine Frage der Ethik
Teil 9: Die Gefahren einer gesunden Ernährung
Übersetzung aus dem Englischen: Ruth Kritzer,
Germersheim
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