Kohlenhydratarme Ernährung verbessert Gehirnleistung
Der Zusammenhang zwischen Kohlenhydratverzehr und Leistungsabfall
Heute nehme ich nur noch selten an Zielschießwettbewerben teil, andere Disziplinen interessieren mich einfach mehr. Normalerweise schieße ich nur noch bei den Freiluft- und Hallenturnieren meines Clubs, aber kürzlich ging es darum, weitere Clubmitglieder von der Teilnahme an Zielschießwettbewerben zu überzeugen und mir blieb nichts anderes übrig, als mitzufahren. Das war eine in mehrfacher Hinsicht lehrreiche Erfahrung.
Da ich mich für Sportlerernährung interessiere habe ich die Angewohnheit, während der Mittagspause herumzuwandern und zu gucken, was die Bogenschützen denn so essen und trinken. Ich achte auch darauf, was die Schützen so während des Turniers essen. Was ich da zu sehen bekam, veranlasste mich dazu, diesen Artikel zu schreiben.
In meinem Artikel über Frühstück (The Glade, Sommer 1999), vergleiche ich ein kohlenhydrathaltiges Frühstück, also Brot, Butter, Marmelade, Frühstücksflocken, mit einem eiweiß- und fetthaltigen traditionellen englischen Frühstück, um aufzuzeigen, dass ein warmes Frühstück für die Leistung von Bogenschützen und anderen Sportlern vorteilhafter ist. Für diejenigen, die den Artikel nicht gelesen haben — ich zeige darin auf, wie ein kohlenhydratreiches Frühstück die Insulinproduktion ansteigen und den Blutglukosespiegel sinken lässt, so dass die verfügbare Energie abnimmt, wogegen beim eiweißreiches Frühstück der Blutzuckerspiegel über den ganzen Tag hinweg hoch blieb, den Bogenschützen mehr Energie lieferte und größere Ausdauer ermöglichte. Ich empfahl den Bogenschützen genau dasselbe was ich auch allen andern empfehle, nämlich den Tag mit einem warmen "englischen" Frühstück zu beginnen.
Kohlenhydratarme Mahlzeiten, also nicht nur Frühstück, sind jedoch noch aus einem weiteren Grund besser für Bogenschützen und andere Menschen.
Die Nahrung hat viele verschiedene Wirkungen auf die Systeme unseres Körpers. Es scheint logisch anzunehmen, dass die Art der Ernährung das Gehirn und damit auch Verhalten und Emotionen beeinflusst und es gibt Hinweise darauf, dass Ernährung die Gehirnchemie beeinflussen kann. Kohlenhydrate gelten gemeinhin als gute Energiequelle (obwohl sie im direkten Gewichtsvergleich die geringste Energiemenge enthalten). Da alle Kohlenhydrate — Zucker und Stärke — direkt zur Energieerzeugung in Glukose umgewandelt werden, scheint der Verzehr vorteilhaft. Vermutlich aus dem gleichen Grund raten Trainer und Ernährungsberater den Sportlern, bei Turnieren immer wieder kohlenhydrathaltige, gesüßte Getränke zu sich zu nehmen. Die Nahrungsmittelindustrie, die immer gern die schnelle Mark macht, hat diese Gelegenheit ergriffen, um eine Reihe von Produkten auf den Markt zu bringen, die lächerlicherweise als "isotonische Getränke" bezeichnet werden. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um wenig mehr als Zuckerwasser (das allerdings den Herstellern sehr schöne Gewinne einfährt). Diese Getränke lassen zwar den Blutzuckerspiegel kurzfristig ansteigen, sind jedoch nicht empfehlenswert, da sie subtile aber bedeutsame Nebenwirkungen haben.
Welche Wirkungen treten auf?
Sind Sie müde oder niedergeschlagen? Sicher haben Sie alle im Fernsehen die Werbung für "die kleine Pause am Nachmittag" gesehen: Kekse, Schokoriegel oder andere zuckerhaltige Kleinigkeiten. Diese Werbekampagnen gründen sich auf die Überzeugung der Zuschauer, dass der Blutzuckeranstieg den Geist anregt, ein Wohlgefühl vermittelt und den Menschen wach macht. Leider scheint das nicht so zu sein.
Viele Studien beschäftigen sich mit der Wirkung verschiedener Eßgewohnheiten und Nahrungsmittel. Dabei werden Dinge wie Müdigkeit, Vitalität, Wut, Feindseligkeit, Verwirrung, Angst und Niedergeschlagenheit gemessen. Bei allen Werten außer Angst schnitten die Probanden, die kohlenhydratreiche Mahlzeiten verzehrt hatten, laut eigenen Angaben schlechter ab. Bei weiteren objektiven Tests waren die Werte der Kohlenhydratesser bei Wachheit, audiovisuelle Reaktionszeiten und Vigilanz ebenfalls schlechter.
Es gibt natürlich Belege dafür, dass der Verzehr von Zucker oder anderen kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln stimmungsaufhellende Wirkungen haben kann. Die Rolle, die Glukose bekanntermaßen bei der Versorgung der Zellen spielt, hat zu der Annahme geführt, dass eine erhöhte Zufuhr von Stoffwechselenergie mit dem subjektiven Gefühl größerer Wachheit und erhöhter Energie einhergeht. Tatsächlich weist aber die Mehrheit der Erkenntnisse darauf hin, dass der Verzehr von Kohlenhydraten eine Art hypnotischer Wirkung hat. Das gute Gefühl, das die Kohlenhydrate hervorrufen, beruht also auf der entspannenden, schläfrigmachenden Wirkung — von größerer Wachheit kann keine Rede sein. Deshalb raten Ernährungsberater zum Verzehr von kohlenhydrathaltigen Mahlzeiten am Abend — sie wirken schlaffördernd. Und das ist sicher das Letzte, was man fürs Autofahren, für kreative Arbeit oder bei einem sportlichen Wettbewerb brauchen kann.
Serotonin und Tryptophan
Um diese Wirkungsweise zu verstehen müssen wir ein wenig in die Gehirnfunktion einsteigen.
Das Gehirn ist ein riesiges Nervennetz, über das Nachrichten gesendet werden. Die biochemischen Botenstoffe — Chemikalien, die an der Übertragung von Nervenimpulses zwischen den Nervenzellen des Gehirn beteiligt sind — werden Neurotransmitter genannt. Es gibt etwa 40 dieser Stoffe, einer davon ist das Serotonin, das eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Bewusstseinszuständen und Stimmungen spielt und besonders Schläfrigkeit und Entspannung fördert.
Der Körper stellt diese Neurotransmitter aus den Aminosäuren der Nahrungsmittel her, die wir verzehren. Aminosäuren sind die Eiweißbausteine. Tryptophan, eine Aminosäure in Eiweiß aus Fleisch, Milch und Eiern ist ein Vorläufer von Serotonin. Der Serotoninspiegel im Gehirn steigt bei Verzehr von reinem Tryptophan an. Bei Verzehr einer eiweißreichen Mahlzeit konkurriert Tryptophan mit den anderen Aminosäuren um Zugang zum Gehirn. Tryptophan ist allerdings im Vergleich zu anderen Aminosäuren in eiweißhaltigen Nahrungsmitteln nur gering vertreten. Deshalb gelangt auch nur ein kleiner Teil ins Gehirn, um dort in Serotonin umgewandelt zu werden.
Kohlenhydrate
Kohlenhydrate enthalten kein Tryptophan. Man könnte deshalb annehmen, dass der Verzehr von Zucker auf die Serotoninherstellung keinen Einfluss hat. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall. Kohlenhydratreiche, eiweißarme Mahlzeiten lassen den Serotoninspiegel steigen.
Nach Verzehr einer kohlenhydratreichen Mahlzeit fördert das Insulin nicht nur die Speicherung der überschüssigen Glukose als Fett sondern auch die Aufnahme der meisten Aminosäuren in die Muskeln, wodurch der Blutspiegel dieser Aminosäuren absinkt. Tryptophan ist von dieser Wirkung nicht betroffen, wodurch das Verhältnis von Tryptophan zu den anderen Aminosäuren steigt. Bei hohen Tryptophanblutspiegeln im Verhältnis zu anderen Aminosäuren wird Tryptophan freigesetzt, schnell ans Gehirn weitergegeben und zu Serotonin umgewandelt.
Analysiert man die Forschungsergebnisse, so stellt man fest, dass Leute relativ kurz nach Verzehr einer kohlenhydratreichen Mahlzeit müde werden (Sie kennen bestimmt das Chinarestaurantsyndrom — eine Stunde nach dem Essen könnte man schon das nächste chinesische Mahl verzehren) und das ist angesichts des steigenden Serotoningehalts im Gehirn nicht weiter überraschend. Zur Verwirrung der Forscher berichten jedoch adipöse, prämenstruelle und deprimierte Menschen nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit über eine kurzfristige Stimmungsverbesserung und Nachlassen der Depression. Die Forscher wissen immer noch nicht, ob es daran liegt, dass der Serotoninspiegel unter diesen Bedingungen nicht ansteigt oder ob Serotonin freigesetzt wird jedoch ein anderer Faktor in diesen drei Fällen dazu führt, dass Serotonin die Stimmung hebt anstatt entspannende Wirkung zu zeigen.
Ein Ernährungswissenschaftler gab mir folgende Vorschläge zur Erhöhung des Serotoninspiegels durch Nahrung:
Wenn Sie Einschlafschwierigkeiten, essen Sie vor dem Schlafengehen etwas kohlenhydratreiches. Heiße Milch vermittelt unter anderem aufgrund des mäßigen Gehalts an Kohlenhydraten in Form von Laktose (Milchzucker) ein angenehmes Wohlgefühl.
Wenn Sie üblicherweise vor Beginn des Unterrichts Kohlenhydrate essen (z.B. Brötchen) und dann im Unterricht oft schläfrig werden, versuchen Sie zusätzlich etwas Eiweiß zu essen, z.B. Hartkäse oder Erdnussbutter. Oder essen Sie stattdessen Joghurt oder Hüttenkäse.
Diese Vorschläge sind hilfreich — Serotonin wirkt entspannend und fördert den guten Schlaf. Kohlenhydrate sind also das Letzte, das sie verzehren sollten, wenn Sie etwas vorhaben, dem Unterricht folgen müssen (der ja oft ohnehin einschläfernd genug sein kann…) oder ein 150 mal auf ein Ziel schießen müssen (Probeschüsse eingeschlossen).
Es läuft darauf hinaus, dass kohlenhydratreiche Mahlzeiten absolut nicht die Wirkung haben, die man erwarten könnte. Kohlenhydrathaltige Mahlzeiten führen zu Entspannung, machen schläfrig und verlangsamen die Reaktionszeiten; proteinhaltige Mahlzeiten machen wach, alert und fördern schnelles Denken — Eigenschaften die Bogenschützen und andere Sportler ut gebrauchen können. Wenn Sie also gewinnen wollen, dann halten sie sich fern von Süßigkeiten, süßen Getränken, Frühstücksflocken und belegen Sie ihre Brote mit Käse, Fleisch, Ei oder Fisch.
Weitere ausführlichere Informationen im Artikel Die richtige Ernährung für Sportler .
Übersetzung aus dem Englischen: Ruth Kritzer, Germersheim
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