Kein Brustkrebs durch tierisches Fett
Ist Ihnen auch aufgefallen, wie oft die Presse 2003 über kohlenhydratarme Diäten berichtete? In den USA werden die Getreidebauern ihre Ernte nicht los, weil die Leute kein Brot mehr essen. In Großbritannien geht den Kartoffelbauern ähnlich. Und neulich hörte ich, wie die Sprecherin einer vegetarischen Gesellschaft zugab, dass 600.000 Menschen die vegetarische Lebensweise aufgegeben haben.
Wer weiß — als nächstes gehen vielleicht all diejenigen, die den "gesunden" Ratschlägen gefolgt sind und an Gewicht zugenommen oder Diabetes bekommen haben, auf die Barrikaden und verklagen die Ernährungswissenschaftler, denen sie diese schlechten Ratschläge verdanken.
In der dritten Juliwoche 2003 wurden zwei Studien veröffentlicht, in denen angeblich gezeigt wurde, dass ein erhöhter Verzehr tierischer Fette das Brustkrebsrisiko erhöht. Es sieht aus, als ob die Vertreter der "Fett ist schlecht für den Menschen"-Fraktion ihre letzten Reserven mobilisieren, um die unvermeidbare Gegenreaktion abzuwenden.
Der erste Studie wurde am 16. Juli im amerikanischen Journal of the National Cancer Institute, die zweite am 18. Juli in der britischen Medizinfachzeitschrift Lancet veröffentlicht. Weiter unten finden sich Kurzfassungen der ersten Studie und die veröffentlichten Zahlen. Da die zweite Studie online verfügbar ist, gebe ich nur die Adresse an. Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie, wo die Wahrheit wirklich liegt. Ich muss zugeben, dass ich beim Lesen der beiden Studien äußerst unbeeindruckt war. Da die Medien — und auch Wissenschaftler — ihre Resultate zum Zweck größtmöglicher Wirkung gern aufbauschen, habe ich Kommentare angefügt, um die wirkliche Bedeutung der Zahlen zu zeigen.
Über die erste Studie berichtete die amerikanische Presse wie folgt:
Studie zeigt Zusammenhang zwischen tierischen Fetten und Brustkrebsrisiko
15. Juli (Bloomberg) — Laut einer in der morgigen Ausgabe des Journal of the National Cancer Institute veröffentlichten Studie kann der Verzehr von fettreichem, roten Fleisch und Milchprodukten wie Sahne bei prämenopausalen Frauen das Brustkrebsrisiko erhöhen.
Eunyoung Cho, Ernährungsforscherin an der Harvard Medical School, Boston und dem Brigham and Women's Hospital, sagte, dass ein hoher Anteil an tierischem Fett in der Ernährung das Risiko um bis zu 54 Prozent steigen ließe. An der achtjährigen Studie nahmen 90.000 Frauen im Alter von 26 bis 46 Jahren teil.
Cho sagte weiter, die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die Atkins-Diät und andere Diäten, bei denen zum Zweck des Gewichtsverlustes Fleischverzehr angeraten wird, für jüngere Frauen schädlich sein können. In der Studie konnte allerdings keinen Zusammenhang zwischen Brustkrebs, an dem jährlich in den USA 40.000 Frauen sterben und dem hohen Anteil an pflanzlichen Fett oder tierischem Fett von Geflügel, Truthahn oder Fisch festgestellt werden, sagte die Forscherin in einem Interview.
"Ich würde diese Diät für Frauen vor der Menopause nicht empfehlen, es sei denn, das rote Fleisch wird durch Geflügel oder Fisch ersetzt" sagte Cho.
Die Frauen mit dem höchsten Verzehr an tierischem Fett bezogen 23 Prozent der Kalorien aus Fleisch und Milchprodukten, das sind doppelt so viele wie bei den Frauen, die am wenigsten tierisches Fett verzehrten. Manche Forscher glauben, dass eine sehr fetthaltige Ernährung das Brustkrebsrisiko durch Ankurbelung der körpereigenen Östrogenproduktion, was zu Tumorwachstum führen kann, steigen lässt, sagte Cho.
Schauen wir uns mal die tatsächlichen Ergebnisse der Studie an:
Eunyoung Cho, Donna Spiegelman, David J. Hunter, Wendy Y. Chen, Meir J.
Stampfer, Graham A. Colditz, Walter C. Willett Premenopausal Fat Intake and
Risk of Breast Cancer.
J Natl Cancer Inst
2003;95:1079-85
Hintergrund: Internationale Vergleiche und Fallkontrollstudien deuten auf einen positiven Zusammenhang zwischen Nahrungsfettaufnahme und Brustkrebsrisiko. Prospektive Studien, die meist mit postmenopausalen Frauen durchgeführt wurden, bestätigen diese Assoziation nicht. Wir führten eine prospektive Analyse der Beziehung zwischen Fett in der Nahrung und Brustkrebs bei prämenopausalen Teilnehmerinnen der Krankenschwesternstudie II durch.. Methodik: 1991 wurde bei 90655 prämenopausalen Frauen im Alter von 26 bis 46 der Fettverzehr und das Brustkrebsrisiko bewertet. Der Fettverzehr wurde 1991 zu Beginn mit Hilfe eines Fragebogens zur Häufigkeit des Verzehrs (food-frequency questionnaire FFQ) und erneut im Jahr 1995 abgefragt. Brustkrebs wurden von den Probandinnen gemeldet und durch Pathologiebericht bestätigt. Multivariable relative Risiken (RR) und 95% Konfidenzintervalle (Cis) wurden berechnet. Es wurden durchweg zweiseitige statistische Tests verwendet. Ergebnisse: Im Laufe der achtjährigen Nachverfolgung trat bei 714 Frauen invasiver Brustkrebs auf. Im Verhältnis zu den Frauen im untersten Quintil des Fettverzehrs hatten die Frauen im höchsten Quintil des Fettverzehrs ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko (RR = 1,25, 95% CI = 0,98 bis 1,59; Ptrend = .06). Der Anstieg trat bei tierischen, jedoch nicht bei pflanzlichem Fett auf, die RR für die steigenden Quintile des tierischen Fettes lagen bei 1,00 (Referenz), 1.28, 1.37, 1.54, und 1.33 (95% CI = 1.02 zu 1.73; Ptrend = .002). Beim Verzehr von gesättigtem und einfach ungesättigtem Fett wurde ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko beobachtet. Innerhalb der Nahrungsmittelgruppen, die tierisches Fett liefern war bei rotem Fleisch und hochfetthaltigen Milchprodukten ein erhöhtes Brustkrebsrisiko assoziiert. Schlußfolgerung: Verzehr von tierischem Fett, besonders in rotem Fleisch und von Milchprodukten mit hohem Fettgehalt in den Jahren vor der Menopause steht in Zusammenhang mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko. KOMMENTAR:Sehen wir uns mal an, was die Zahlen für tierische Fette wirklich bedeuten:
KOMMENTAR:Wenn der Verzehr von tierischem Fett das Brustkrebsrisiko erhöht, wäre zu erwarten, dass das Risiko steigt, je mehr tierisches Fett gegessen wird. Das ist ganz eindeutig nicht der Fall. Die Frauen, die am meisten Fett verzehrten (fünftes Quintil) hatten weniger Brustkrebs als diejenigen, die weniger verzehrten (3. und 4. Quintil). Hier haben wir den ersten Hinweis darauf, das etwas nicht ganz stimmen kann.
Holmes MD, Colditz GA, Hunter DJ, Hankinson SE, Rosner B, Speizer FE, Willett WC. Fleisch-, Fisch- und Eierverzehr und Brustkrebsrisiko. Int J Cancer. 2003 Mar 20;104(2):221-7. |
Die zweite Studie wurde im Lancet veröffentlicht. Auch diese Sache wurde von den Medien aufgebauscht zu "schlüssigen Beweisen, dass die große Mengen tierisches Fettes Brustkrebs verursachen". Leider ist auch diese Studie alles andere als schlüssig! Wendet man die gleiche Methode an wie oben, ergibt sich ein ähnliches Bild:
Sheila A Bingham, Robert Luben, Ailsa Welch, Nicholas Wareham, Kay-Tee Khaw, Nicholas Day. Verschleiern ungenaue Methoden eine Beziehung zwischen Fett und Brustkrebs? Lancet 2003; 362: 212-14. KOMMENTAR:Wie der Titel schon sagt, wurde hier die Art der Datenerhebung analysiert. Die eigentliche Aussage lautet: "Wir 'wissen', dass gesättigte tierische Fette Brustkrebs verursachen, aber wir können es durch Studien nicht beweisen." (Das liegt natürlich daran, dass alle bisher veröffentlichten Studien — und das sind eine ganze Menge — festgestellt haben, dass tierische Fette KEINEN Brustkrebs verursachen, sondern nur pflanzliche Fette das tun, aber diese Erkenntnis passt eben nicht in Bild.). Also haben sich die Forscher mit der Art der Datenerhebung befasst, um zu sehen, ob sie die Ergebnisse so hinbiegen können, dass ihren Erwartungen entsprechen.
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Dies ist ein Beispiel für Data Dredging von Number Watch , eine äußerst interessante Website für Leute, die wissen wollen wie Wissenschaftler Zahlen benützen, um uns geringere Sterbliche zu nasführen. Grundlage ist hier eine italienische Studie, die feststellte, dass Frauen, die ein "gesünderes" Leben führten, länger lebten.
Number Watch beschloss, eine eigene Studie durchzuführen, musste sich aber — weil keine Sponsoren vorhanden waren, die eine Reise nach Italien bezahlt hätten, auf den Zahlenzufallsgenerator in Mathcad verlassen. Man konnte einfach die gleichen trojanischen Zahlen verwenden, musste jedoch bezüglich der Anzahl der Lebensgewohnheiten und der Anzahl der Frauen, die diese Gewohnheiten hatten, raten. Man entschied sich für fünfzig Gewohnheiten und nahm an, dass eine von zehn Gewohnheiten angenommen wurde. Dann wurde ein Satz von 50 binomischen Zufallszahlen generiert (für die Wissenden unter uns: nach rbinom(50,2800,0.1) ) und ein weiterer Satz für die 4000 Kontrollprobanden, die genau die gleiche Anzahl Gewohnheiten und Wahrscheinlichkeit hatten. Der prozentuale Unterschied wurde dann aufgezeichnet und eingestuft, wobei die fünf jeweiligen Extreme die Tabelle bilden. Die Gewohnheiten stammten von der Standard SIF Trefferliste. Hier sind Ergebnisse:
Gewohnheit | % ,Veränderung des Risikos |
Tomaten | -11.355 |
Jogging | -11.354 |
Grünes Gemüse | -10.891 |
Auberginen | -10.223 |
Olivenöl | -8.807 |
Insektizide | +8.753 |
Passivrauchen | +10.883 |
Gesättigte Fette | +12.128 |
Alkohol | +16.305 |
Rauchen | +16.456 |
Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass zwischen den beiden Populationen bezüglich der Wahrscheinlichkeit keinerlei Unterschied besteht! Kombiniert man die letzten drei Beobachtungen, so können wir nun den Frauen der Welt verkünden, dass sie ihr Brustkrebsrisiko um ein Drittel verringern, wenn sie nicht mehr rauchen, keinen Alkohol mehr trinken und keine gesättigte Fette essen. Das Ergebnis ist ganz ähnlich wie bei der Studie des geschätzten Professors, hat aber nur einen Bruchteil dieser Studie gekostet.
Sie sehen, dass die Parameter für die "Therapiegruppen" und die "Kontrollgruppe" zwar genau gleich waren, die Zahlen jeodch ganz schnell durch die Tatsache verfälscht werden, dass die beiden Gruppen unterschiedlich viele Teilnehmer hatten. Und genau das kann bei den beiden obigen Studien auch passiert sein.
Letzte Aktualisierung: 19 Juli 2003
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